Als Idee der Bürgerversicherung 2002 in der „Rürup-Kommission“ geboren, avancierte die „Bürgerversicherung“ schnell zu einem politischen Leitmotiv von SPD, Grünen und Linken. Das Ziel einer GKV-Versicherungspflicht für alle ist und bleibt zwar allen Vertretern der Bürgerversicherung seit 2002 gemein. Aber mittlerweile herrscht Unklarheit darüber, in welchem Zeitraum es sich überhaupt erreichen ließe und welche notwendigen operativen Schritte zur Umsetzung dieses Ziels erfolgen müssten. Damit entpuppen sich die Teilschritte zur Bürgerversicherung als willkürliche Stellschrauben, die dem Leitmotiv der politischen Opportunität gehorchen. Ebenso erfolgte ein Wandel der Zielsetzung des Konzepts: Das ursprüngliche Bürgerversicherungsziel einer nachhaltigen Finanzierung der GKV durch Einbeziehung vermeintlich „besserverdienender“ Privatversicherter ist schon seit langem in seiner sozioökonomischen Grundannahme widerlegt. Zudem leistet die Bürgerversicherung keinen strukturellen Beitrag zur Senkung des Beitragssatzes der GKV. Daher konzentrieren sich Befürworter des Konzeptes mittlerweile darauf, sie als „Rettungsschirm“ für Privatversicherte sowie als Instrument gegen eine vermeintliche „Zwei-Klassen-Medizin“ zu stilisieren. Infolge dieses Wandels hat es die Bürgerversicherung schwer zu vermitteln, wozu sie überhaupt notwendig ist, zumal ihre Einführung mit hohen Transaktionskosten zu Lasten der Versicherten und des Gesundheitssystems verbunden wäre. Dennoch nimmt sie weiterhin eine identitätsstiftende Funktion für relevante Teile der Mitgliederbasis der sie fordernden Parteien ein. Für die gesellschaftspolitische Akzeptanz einer derartigen Systemtransformation dürfte jedoch kein breiter gesellschaftlicher Konsens vorhanden sein.

Textauszug: